Physik zum Anfassen

Kilometerstand
Abfahrt: Miramichi (Kanada): 40.249 km
Ankunft: Port Hastings (Kanada): 40.735 km
Etappe: 486 km

Das nächste Ziel für uns war Shediac, die Hummerhauptstadt der Welt. Wir hatten uns auf eine sehr touristische Atmosphäre eingestellt, eher unspektakulär wurde es: viele Restaurants und Souvenirläden, mehr aber nicht. Nach unserem kurzen Streifzug durch die Stadt landeten wir schließlich in einem kleinen Restaurant an der Hauptstraße – wahrscheinlich egal, wofür man sich entscheidet, die Karte las sich überall fast gleich: Hummer in irgendeiner Form. Wir entschieden uns für die berühmte Lobster-Roll mit einem Salat – kann man sich in etwa wie einen Hotdog mit Hummerfleisch statt Würstchen vorstellen. War ganz okay, die Lobster Roll von McDonalds, die wir viele Tage vorher probiert hatten, war nicht unbedingt schlechter gewesen 😯 .

Naja, es ging zurück zum Auto und weiter nach Moncton. In der Fundy-Bay, an der die Stadt liegt, gibt es die höchsten Gezeitenunterschieden der Welt. Durch Moncton selbst fließt der Petitcodiac River, in den die Flut das Wasser mit einer derart hohen Geschwindigkeit hineindrückt, dass eine Welle entgegen der Fließrichtung des Flusses diesen hinaufläuft. Zuvor gab es eine kleine Einführung in die Grundlagen von Ebbe und Flut von einem begeisterten und begeisternden Physiker. So eine Gezeitenwelle hört sich zugegeben unspannend an, von der Zuschauermenge kamen dann aber doch einige beindruckte „oohs“ und „aahs“, als sie erschien. Nach wenigen Minuten war das Spektakel vorbei, der Pegel steigt dann wohl noch zwei Stunden bis zu Maximum.

Wir fuhren noch einige Kilometer, bis wir Cape Breton Island erreicht hatten. Direkt hinter dem Deich fanden wir einen kleinen, schönen und ruhigen Stellplatz mit Sonnenuntergang-Sicht.

Nicht alles, was glänzt…

Kilometerstand
Abfahrt: Percé (Kanada): 39.824 km
Ankunft: Miramichi (Kanada): 40.249 km
Gesamtetappe: 425 km

Percé ist ein kleines Örtchen, das lt. Reiseführer wegen seines vor der Küste im Meer stehenden Monolithen bekannt ist. Wir erreichten es im Regen, hatten keine Lust, lange nach einem Campingplatz zu suchen und entschieden uns für einen direkt am Meer (Camping Havre de la nuit). Mmh, tolle saubere Sanitäranlagen und Waschmöglichkeiten, aber der Stellplatz hatte das Flair einer Sardinendose…! Wir quetschten uns mit dem MePa zwischen die anderen und nutzen zu allererst beide Waschmaschinen. Immerhin würden wir später saubere Wäsche haben!

Zwei Autos neben uns entdeckten wir dabei einen alten Westfalia mit einem original Essener Kennzeichen. „Original“ bedeutet gestempelt, was bei ca. 90% der selbstgebastelten Kennzeichen der Ausländer eher eine Ausnahme darstellt ;-). By the way, wir haben die Kennzeichen festgenietet, ebenfalls ein guter Schutz vor Souvenirjägern. Ein wenig aufgeregt klopften wir bei unseren Nachbarn, wurden erst von einem winzigen, aber dafür umso lauter kläffenden Hündchen, dann von den Bewohnern begrüßt, auf französisch… Nee, offensichtlich nicht aus Essen und wieder einmal kein Wort Englisch. Wir versuchten mit Händen und Füßen zu erklären, dass wir aus der Nachbarstadt der Stadt auf dem Kennzeichen kommen. Das verstanden die beiden wohl nicht 😕 . In Québec müssen die Autos nur hinten ein Kennzeichen haben, das Essener war scheinbar einfach drangelassen worden…

Immerhin hatte der Wettergott ein Einsehen mit uns und scheinbar ein Faible für kitschig-romantische Sonnenuntergangs-Urlaubsfotos: Er ließ die Wolken ziehen und den Stein in goldener Abendsonne schimmern und glänzen… 😉 ! Dementsprechend zog es auch uns für einen Abendspaziergang nach draußen. Nach der „Steinbesichtigung“ erkundeten wir das Dorf, das scheinbar nur aus Nippes-Läden und Restaurants bestand. Für uns war klar: nicht so ganz unser Ding, eine Nacht bleiben wir, morgen früh geht es weiter!

Am nächsten Tag war Fahren angesagt, an der Südküste von Gaspésie gab es nicht viel Spezielles für uns anzusehen und so zog es uns zügig weiter. Zur Mittagszeit hielten wir in der kleinen Ortschaft Bonaventure an einer Poisserie auf der Suche nach einer der berühmten Lobster-Rolls an. Die gab es nicht, dafür für nen Appel und nen Ei einen unglaublich tollen Sushi-Wrap mit Mango und Hummer, die wir uns auf der Bank gegenüber direkt am Meer schmecken ließen.

Nach einem kurzen Stopp in Carlton erreichten wir die nächste Provinz Kanadas, nämlich New Brunswick. Zu unserer Erheiterung warnten nun nicht mehr die etwas überheblich und mit erhobenem Kopf dreinblickenden Elche Québecs vor Wildunfällen, sondern Bullen oder Kühe. Wie modern 😉 ! Für uns ging es bis nach Miramichi, eine touristisch eher uninteressante Stadt, aber einem ruhigen Plätzchen zum Übernachten bei Walmart.

Wale und Wandern im schönen Nationalpark Forillon

Kilometerstand
Abfahrt: Phare Cap Madeleine (Kanada): 39.584 km
Ankunft: Percé (Kanada): 39.824 km
Gesamtetappe: 240 km

Es ging weiter entlang der Küste von Gaspésie, bis wir unser Ziel erreicht hatten: den Nationalpark Forillon. Im Besucherzentrum wurden wir mit Karten, Broschüren und dem Wetterbericht versorgt: heute 22 °C und Sonne, morgen Regen. Also spontane Programmumstellen: anstelle des Campingplatz fuhren wir den Parkplatz bei Grande-Graves an, dem Ausgangspunkt für den 15 km langen Wanderweg Les Graves. Weit kamen wir aber nicht, erst einmal wollten wir den original-getreu restaurieren Gemischtwarenladen Hyman & Son’s General Store and Warehouse aus dem Jahr 1920 besichtigen. Ja, dort gab es tatsächlich alles, was man zum Leben brauchte: von Ofenrohren über Schuhe und Mehl bis hin zu Mundharmonikas aus deutscher Produktion. Nur 800 Meter weiter erwartete uns die nächste historic site: ein restauriertes, unerwartet großes Haus eines selbständigen Fischers, Anse-Blanchette, ebenfalls aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts (übrigens mit dem gleichen Singer-Nähmaschinen-Tisch wie er in Siegen im Wohnzimmer steht 😉 ). Die Menschen lebten hier lange vom Kabeljau, der getrocknet nach Europa geschifft wurde.

Dann erst begannen wir unsere Wanderung, die uns bis an die Spitze des Caps führte. Schnell entdeckten wir die ersten Minkwale (Zwegwale) im Wasser und ein Stachelschwein. Die Dame saß auf einem Tannenzweig in etwas 1 m-Höhe, fraß genüsslich nur die frischesten Triebe; was nicht schmeckte, wurde ausgespukt ;-). Wer dem Wanderweg folgte und nicht den geschotterten Versorgungsweg wählte (der am Samstagnachmittag einem Wanderer-highway ähnelte), erreichte die Lichtung mit dem Leuchtturm am Cap über viele zusätzliche Höhenmetern, konnte aber auch weitere Wale entdecken. Zum Schluss wurden alle mit einem fantastischen Ausblick über das Land’s End von Gaspésie belohnt.

Den Abend und die Nacht verbrachten wir auf dem schönen Campingplatz Petit-Gaspé. Wie bisher alle Campingplätze in den Nationalparks gab es auch hier sehr große Parzellen mitten im Wald mit schöner Picknickbank und Lagerfeuerstelle. Nur die Sache mit dem Lagerfeuer entpuppte sich als schwierig – das Holz war sehr feucht und wollte partout nicht brennen. Die strikte Feuerholzpolitik der Nationalparks nervt zudem: man darf kein Holz in diese einführen, um keine Schädlinge einzuschleppen, und muss dementsprechend nehmen, was man kriegt…

Am nächsten Morgen starteten wir zum Mont-Saint-Alban-Loop, die ersten Kilometer waren ein bisschen öde und langweilig, der Blick vom Cap-Bon-Ami (auf Meereshöhe) und im Anschluss von dem hoch über dem Meer auf der Klippe thronenden Aussichtsturm (380 m) dafür umso toller. Der Wetterbericht sollte allerdings rechtbehalten, gegen frühen Nachmittag kam der Regen. Wir verließen den Nationalpark und fuhren – der Küste weiter folgend – nach Percé.

Ein Elch, zwei Elche, drei Elche – viele Elche! Moose-Glück auf Gaspésie

Kilometerstand
Abfahrt: Matane (Kanada): 39.282 km
Ankunft: Phare Cap Madeleine (Kanada): 39.584 km
Gesamtetappe: 302 km

Bevor wir am nächsten Morgen in Richtung Nationalpark aufbrechen konnten, „durften“ wir einen kleinen Blick in das kanadische Gesundheitssystem werfen. Axels Inlay, das wir nun seit Chile und Peru schon kennen 😉 , war wieder herausgefallen… Kann ja nicht so schlimm sein, schließlich sind wir in Kanada, dachten wir uns. Also los! Unser Elan wurde schnell gebremst, die Kurzfassung aller vier Praxen in Matane (eine von ihnen hatte geschlossen) war ungefähr so: wir nehmen keine neuen Patienten auf – nein, auch nicht nur einmal – wir sind voll – nein, Sie brauchen nicht zu warten. Tja, das ist in Südamerika aber anders gelaufen…

Über Sainte-Anne-des-Montts steuerten wir den Nationalpark Gaspésie an. Hier beginnen bzw. enden die Appalachen, die wir bereits in den USA auf dem Blue Ridge Parkway bereist hatten. Im Besucherzentrum wurden uns zwei Hikes empfohlen, den Hike um und über den Mont-Ernest-Laforce wollten wir bereits am Nachmittag laufen. Die Rangerin erklärte, bei dem schlechten Wetter seien die Chancen auf Wildtiersicht recht gut. Das konnten wir uns mitten am Tag zwar schlecht vorstellen, mal sehen!

Über eine Schotterpiste erreichten wir den Parkplatz und machten uns in Regenkleidung eingepackt auf den Weg. Der Nieselregen störte uns nicht, vielleicht braucht man als Mitteleuropäer auch ein gewisses Maß an „kühlem“ Schlechtwetter, um sich wohlzufühlen 😉 !? Dann wurde der Regen immer stärker und es wurde trotz der schönen Landschaft ungemütlich. Und wo waren bitteschön die „versprochenen“ Elche??

Plötzlich raschelte es und 20 Meter oberhalb des Wegs kam ein kleines Elchkalb aus dem Gebüsch. Wie niedlich! Dann wieder Rascheln und die Mutter-Elchkuh erschien. Wow, zwar zugegeben mit ihrem strubbeligen Fell nicht das schönste Tier, aber beeindruckend groß! Antonia fotografierte, die kanadischen Mädels einige Meter hinter uns schienen auch ganz aus dem Häuschen zu sein. Nach einiger Zeit legten sich Elchkuh und -kalb ins Gras und verschwanden damit weitestgehend aus unserer Sicht, sodass wir unsere Wanderung fortsetzen. Das nächste Elcherlebnis kam aber schon nach wenigen Minuten. Von einem Aussichtspunkt konnte man hervorragend in die Täler und Lichtungen sehen, wo die nächste Elchkuh mit Jungem stand. Ja, die Frau im Besucherzentrum hatte ins Schwarze getroffen.

Auf dem „Rückweg“ unseres Rundwegs trafen wir die beiden Kanadierinnen wieder, die sich flüsternd und ganz langsam auf dem Weg bewegten. Den Grund erkannten wir schnell: Elchdame Nr. 3 stand ebenfalls mit Kalb nur fünf Meter neben dem Trail im Gras. Für uns in unserer knallbunten Regenkleidung interessierte sie sich nicht, sondern legte sich in aller Seelenruhe ins Gras. Auf dem letzten Stück zum Auto schüttete es leider wieder und hörte auch nicht auf zu regnen. Dafür wurde die Flasche des großartigen chilenischen Coyam, den wir vor Monaten von Noelia geschenkt bekommen hatte, zur Feier des Elch-Tages am Abend endlich geöffnet!

Den zweiten Tag im Nationalpark Gaspésie gingen wir wieder wandern. Während der Trail am Vortag familienfreundlich geschottert war, wurde es auf dem Weg zum Pic Brûlé und Mont Ernest-Menard nun schlammig… Nachdem es bereits am Vortag und in der Nacht ordentlich geregnet hatte, regnete es die nächsten vier einhalb Stunden unserer fünf Stunden-Wanderung einfach weiter. Grund für schlechte Laune? Nein, die Landschaft war trotz Wolken und Nebel toll, nur sehr anstrengend war’s, weil wir auf den 15 km und ca. 600 Höhenmetern hoch und runter keine Pause machen konnten und leider etwas Müsliriegel-unterversorgt waren. Die heiße Dusche auf dem Campingplatz tat unseren müden Knochen dafür umso besser und nach dem Mittagessen ging es zurück an die Küste. Hier war das Wetter deutlich besser und wir fuhren noch einige Kilometer an der schönen Küste entlang bis wir am Cap Madeleine einen Stellplatz für die Nacht fanden: ganz alleine und direkt unter dem Leuchtturm bei fantastischer Aussicht.

Happy Canada Day!

Kilometerstand
Abfahrt: Trois Pistoles (Kanada): 39.112 km
Ankunft: Matane (Kanada): 39.282 km
Etappe: 170 km

Es war Mittwoch, der 1. Juli und kanadischer Nationalfeiertag. Wenn Michelle diese Tatsache nicht mehrmals am Vortag betont hätte, wäre diese wohl unbemerkt an uns vorbeigezogen – willkommen in Québec 🙄 ! Während im restlichen Land weiß-rote-Ahornblatt-Fähnchen geschwenkt wurden, herrschte auf der Gaspésie-Halbinsel eher Allerheiligentag-Stimmung, nicht nur, was das Wetter betraf! Man ist hier halt zu allererst Québecois und weniger Kanadier… Das fängt bei der Sprache an; während in Ontario noch alle Schilder zweisprachig waren, regiert in Québec Französisch mit aller „bundesstaatlichen Gewalt“ als Alleinherrscher. Auf uns wirkt das ehrlichgesagt befremdlich und wir sind über manch ein Fehlen der einfachsten Englischkenntnisse, in einem ja eigentlich zweisprachigen Land, überrascht – zumal wir in acht Monaten Lateinamerika unsere letzten rudimentären Schulfranzösischkenntnisse verloren haben und auf Englisch angewiesen sind. Immerhin scheint die „junge“ Generation zweisprachig zu leben und die Separationsbestrebungen von Québec aktuell nicht thematisiert zu werden.

Den Campingplatz in Trois Pistoles verließen wir erst gegen Mittag, stoppten bei der tollen Bagel-Boulangerie in Sainte-Simon und stellten in Rimouski fest, dass der Walmart geschlossen hatte. Was Ladenöffnungszeiten angeht, sind wir inzwischen total verwöhnt; egal ob Samstag, Sonntag oder Feiertag, eigentlich hatte in den letzten Monaten (fast) alles immer auf – das wird eine Umstellung in Deutschland 😉 . Aber immerhin war das gute Walmart-WiFi in Rimouski nicht abgeschaltet. Also kauften wir im Supermarkt nebenan für unser Mittagessen ein, ließen uns im trockenen und warmen MePa den frischen Salat mit Stremellachs schmecken (die „kleine“ Portion Hummer war für den Abend reserviert 😀 ; wenn die Québecois nicht feiern, dann machen wir es halt 😉 ) und verbrachten den Nachmittag mit Surfen, Emails Schreiben und Blogpflege, während es draußen weiter regnete.

Gegen halb fünf fuhren wir weiter, eigentlich um den Leuchtturm in Pointe-au-Père zu besichtigen. Wir verzichteten auf den Aufstieg – bei dem Nieselregen und den tief hängenden Wolken gäbe es sowieso nichts zu sehen – und besichtigten dafür das restaurierte kanadische U-Boot, die Onondaga. Mit einem tollen Audioguide wird man in zum Glück englischer Sprache durch das Boot geführt und wir können das Museum nur wärmstens weiterempfehlen. Übernachtet wurde bei unserem Lieblingssupermarkt, nämlich in Matane. Wieder ein Walmart, bei dem bei sieben anderen Wohnmobilen direkt Campingplatz-Flair aufkam 😉 .